VERSTEHEN UND VERSTEHEN LASSEN
(Der Büttenreden-Rap)

Ich habe keine Lust, dicke Bücher zu lesen, doch mit Zeitungen ist das immer anders gewesen. Nur die Schlagzeilen müssen groß und blutig sein. In dies mühsame Kleingedruckte schau ich lieber gar nicht hinein. Wie gemein üblich schalte ich unverzüglich mein TV-Gerät an, wenn ich von der Arbeit komme. Ja, dann schaue ich gern bequem. Und so kann man schon verstehen: ich will Serien sehen und keine News aus fernen Ländern.
Nein, ich mag mich nicht verändern.

Ja, ich lasse mich gern belullen und das gebe ich offen zu, die Regierungspolitik ist gar nicht volksnah. Man hat doch keinen Plan, was die da wirklich wollen, die ganze Industrie, die wandert ab nach Polska. Im Verkaufsfernsehen, da zeigen sie mir die Dinge, die ich kaufen soll und so bleib' ich einfach hier sitzen und fordere an, ganz ohne zu schwitzen telefoniere ich dann mit all den ganzen Fernsehsendern.
Nein, ich mag mich nicht verändern.

Nein, ich will gar nichts verstehen, das ist gar nicht meine Welt, solange die anderen mich verstehen soll das doch reichen. Ich habe keine Lust, mich da ständig herauszufordern, meine Leistungen mit denen der anderen abzugleichen. Ich habe keine Geduld. Für mich ist Bildung lediglich eine Bringschuld. Mein Leben hätte bestimmt eine andere Wendung genommen, wäre die Bildung auch mal bei mir vorbeigekommen. Doch eine Sache gibt es, die mich wirklich stört: daß man im Radio fast immer nur Phil Collins hört.

Ich schau auch gern "Big Brother", finde ich wirklich nicht schlecht. Da ist das Leben so echt und die Leute wie ich und du. Darum sehe ich gern zu, wie sich diese gepiercten Gestalten verhalten. Die Reime der Rapper halte ich für Kultur, zwar reden die viel Blech und viele plappern nur, doch haben sie Ischen mit geiler Figur. Das sieht man in den Videos. Wie machen die das bloß?

Goldkettchen und Pelzkragen, so etwas muß ich auch haben. Als Gängsta scheiß ich auf Moral, hier bleibt alles wie es ist: Ehre sei McDonalds, Gott ist Anarchist. Die Zeichen der Zeit stehen schon lange auf Party, meine Handy-Klingeltöne, die bezahlt Vati. Und bei allem was ich weiß, weiß ich mich zu beklagen, daß wir hier zu viele Ausländer haben. Das ist die Bedrohung aus den Nachbarländern.
Nein, ich mag mich nicht verändern.

Schließlich sitze ich hier ganz unten in der Hierarchie. Politik und Wirtschaft - was die da tun begreife ich nie. Verhältniswahlrecht - bei dem Wort allein wird mir schlecht. Keine Ahnung, wer war noch mal Bert Brecht? Und so verfahren sie mit mir nach Gutdünken, ich kann lediglich abwinken, wenn sie versuchen zu erklären, was mich besonders quält, weil mir Grundwissen fehlt. Diese Ohnmacht steht mir im Gesicht und das sieht man an den Augenrändern.
Ich kann wirklich nichts verändern.

 

 

 

 

Bm/05










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